(pd) Der Grosse Rat des Kantons Aargau hat heute leider mehrheitlich die Initiative «Arbeit muss sich lohnen» befürwortet und empfiehlt, sie an der Urne anzunehmen. Der Grosse Rat stellt sich damit gegen die Empfehlung des Aargauer Regierungsrates, der die Initiative deutlich ablehnt. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS, das Netzwerk Sozialer Aargau und AvenirSocial teilen die Meinung des Regierungsrates, denn die Initiative sei überflüssig, teuer, kontraproduktiv und juristisch unhaltbar. Der Fehlentscheid des Grossen Rates müsse an der Urne korrigiert werden.
«Mit der Initiative werden die Kosten der Sozialhilfe sowie die Anzahl Bezüger gesenkt und die Finanzen der Gemeinden im Kanton Aargau entlastet. Die Wirtschaft profitiert von zusätzlichen Arbeitskräften.» Mit diesen Worten begründet das Initiativkomitee, bestehend aus Mitgliedern der Jungen SVP, der FDP sowie der SVP, ihre Initiative «Arbeit muss sich lohnen». Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS, das Netzwerk Sozialer Aargau und AvenirSocial teilen die sehr fundierte und praxisbezogene Analyse des Regierungsrates, dass keines dieser Ziele mit der Initiative erreicht wird. Im Gegenteil: Die Forderungen der Initianten und Initiantinnen seien überflüssig, teuer, kontraproduktiv und juristisch unhaltbar.
Überflüssig
Die Initiative sei überflüssig, weil die von ihr verfolgten Ziele, längst im Gesetz verankert seien. § 5a des Aargauer Sozial- und Präventionsgesetzes hält fest, dass die Sozialhilfeleistungen um bis zu 30% gekürzt oder gar vollständig gestrichen werden können, wenn Sozialhilfebeziehende nicht intensiv eine Arbeit suchen. Die Erfahrung zeige, dass solche Sanktionierungsmöglichkeiten standardmässig genutzt würden. Die Initiative verlange also etwas, was im Kanton Aargau bereits praktiziert serde und sei deshalb überflüssig.
Teuer
Durch die Initiative werde kein Geld gespart. Im Gegenteil würde die Sozialhilfe erheblich verteuert werden. Laut Erhebung des Regierungsrates wären, basierend auf den Sozialhilfezahlen von 2023, rund 530 von 11'873 Sozialhilfebeziehenden potentiell betroffen.1 Der Aufwand, diese Personen zusätzlich zu sanktionieren, stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag. Gemäss dem Verband der Aargauer Gemeindesozialdienste (VAGS) würden Einsparungen von CHF 127'200 Kosten für die Gemeinden von CHF 448'140 als Initialaufwand und CHF 224'070 für die jährliche Überprüfung der Dossiers gegenüberstehen.2
Kontraproduktiv
Bei den rund 530 Menschen, die von der Initiative betroffen wären, handle es sich in der Regel um solche, die auf einen IV-Entscheid warten und/oder ausgesteuert wurden, nachdem sie bereits seit Jahren vergeblich eine Arbeit gesucht hätten. Die Meinung der Initianten, dass es für alle sozialhilfebeziehenden Menschen möglich ist, innerhalb von zwei Jahren eine geeignete Arbeit zu finden, sei vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Langzeitbezüger benötigten entsprechend mehr und nicht weniger Ressourcen und Unterstützung, damit sie wieder Fuss fassen könnten. Die Erfahrung der UFS zeige, dass eine Kürzung der Sozialhilfe in der Regel zu einer zunehmenden Destabilisierung der betroffenen Personen führe und damit die Chance auf eine berufliche (Re-)Integration erschwere, anstatt zu befördern.
Juristisch unhaltbar
Die Initiative heble fundamentale Pfeiler unseres Rechtsstaates aus. Sie sei willkürlich und verletze die Prinzipien der Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit. Eine Bezugsdauer von zwei Jahren sei ein rein willkürlich gewählter, sachlich nicht haltbarer Faktor, um Sozialhilfeleistungen zu kürzen. Generelle Abstrafungen würden dem Recht widersprechenund führten nicht zum Ziel. Es sei deshalb absehbar, dass die Umsetzung der Initiative zu vermehrten Rechtsmittelverfahren führen werde.
Fazit
Der Grosse Rat des Kantons Aargau unterstütze wider besseres Wissen einen Gesetzesartikel, der nachweislich überflüssig und zudem teuer, kontraproduktiv und juristisch unhaltbar sei. Die Aargauer Stimmbevölkerung tue gut daran, der Argumentation des Regierungsrates zu folgen und die Initiative dereinst an der Urne deutlich zu verwerfen.
Das Netzwerk Sozialer Aargau ist ein Zusammenschluss von 14 Organisationen, die in der Sozialen Arbeit tätig sind: www.https://netzwerk-sozialer-aargau.ch
Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS berät seit 13 Jahren Sozialhilfebeziehende kostenlos bei Fragen zu Sozialhilfe: www.sozialhilfeberatung.ch
AvenirSocial ist der Berufsverband der Sozialen Arbeit in der Schweiz und verfügt über mehr als 3900 Mitglieder: www.https://avenirsocial.chwww.https://avenirsocial.ch
(1) https://www.ag.ch/grossrat/grweb/de/195/Detail%20Gesch%C3%A4ft?ProzId=6601658
(2) https://vags.gemeinden-ag.ch/public/upload/assets/21959/Positionspapier%20VAGS%20Volksinitiative%20Arbeit%20muss%20sich%20lohnen.pdf?fp=1758630194836