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Yannick Müller. Foto: Jutta Wurm
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Der Reisende – Weltenbummler, Jugendarbeiter, Sozialpädagoge und Christenmensch Yannik Müller

Als Weltenbummler, Jugendarbeiter, Sozialpädagoge und Christenmensch: Der Mittdreissiger Yannik Müller ist schon viele Wege gegangen. Und die Reise geht weiter, immer weiter.

ANDREAS FISCHER*

Wir sitzen auf der Veranda des Hauses in Ormalingen mit weiter Sicht ins Grüne. «Dort drüben bin ich aufgewachsen», sagt Yannik Müller und zeigt mit dem Finger in Richtung eines Hügelzugs, «in Zuzgen im Wegenstettertal. Es war eine schöne Kindheit, meine drei Jahre ältere Schwester und ich genossen viele Freiheiten. Unsere Eltern zeigten uns schon in jungen Jahren die Welt. Als wir noch in den Windeln lagen, nahmen sie uns mit auf Segelturns in die Türkei, nach Griechenland, Spanien, Kroatien.»
Der Vater war Hochbauzeichner, die Mutter Heilpädagogin; seine Schwester arbeitet heute als Juristin. Anders als sie, sagt Yannik Müller im Rückblick, sei er ein schlechter Schüler gewesen, habe überdies mit chronischer Migräne zu kämpfen gehabt. Eine Lehre auf der Stadtverwaltung Rheinfelden brach er ab, mit der ganzen Bürokratie habe er nicht viel anfangen können. Dann aber sei bei ihm der Knopf aufgegangen; Müller erlangte die Fachmaturität und studierte an der Fachhochschule Nordwestschweiz Soziale Arbeit und Sozialpädagogik.
Dazwischen absolvierte er einige Praktika, unter anderem bei den Psychiatrischen Diensten Aargau in Königsfelden und bei der katholische Jugendseelsorge Liestal. Die Praktika, sagt Yannik Müller, zogen ihn in Richtung Soziale Arbeit. «Sicher war ich mir aber noch nicht. Und so brach ich auf, um die Welt zu entdecken. Ich hoffte, es kristallisiere sich auf den Reisen raus, wohin mein beruflicher Weg geht. Doch das war nicht der Fall.» Heute, stellt Müller mit einem Lächeln fest, gehe er in Entscheidungssituationen eher in die Stille.

Yannick Müller. Foto: Jutta WurmFlair fürs Soziale
Um sich die Reisen, die ihn u.a. ans Donaudelta, aber auch bis nach Australien und China führten, finanzieren zu können, jobbte er zwischendurch, im Verkauf, an der Kasse. «Die Zusammenarbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund, das machte mir Freude», erinnert er sich. Weniger Anlass zur Freude gaben herablassende Kommentare gewisser Kunden, «die sagten mir ungefragt und grundlos auf den Kopf zu: ‹Sie sind Verkäufer, Sie können nichts.›»
«Die Jobs», fährt er fort, «waren für mich eine wichtige Erfahrung. Sie waren es, nicht die Reisen, die mir klarmachten, dass ich ein Flair fürs Soziale habe.»
Die Fachhochschule – «akademisch, aber mit starkem Praxisbezug» – entsprach ihm. «Ich habe dort viel gelernt», sagt er, «aber noch mehr in einem Praktikum im kirchlichen Sozialdienst in Kleinbasel». Da war der katholische Priester Ruedi Beck, der medial bekannt wurde, weil er Geflüchteten Kirchenasyl gewährte, da waren all die Migrationskirchen, Messen in verschiedenen Sprachen, und da war seine Chefin, dunkelhäutig, aus der Karibik, in Nottingham aufgewachsen. Sie sei unheimlich direkt gewesen mit den Klienten, das habe ihn beeindruckt. Und die Teammeetings habe er geliebt, erzählt Yannik Müller, «zu Beginn tauschte man sich jeweils über einen Bibeltext aus, dann folgte die Sitzung, begleitet von einem Brunch; vieles lief informell, diese Kleinbasler DNA entsprach mir sehr».
Nach dem Praktikum erhielt er dort, obwohl reformiert, eine 30%-Anstellung. «Fortan musste ich nicht mehr an der Kasse arbeiten, um das Studium und die Reisen zu finanzieren».

Juseso
Nach Abschluss des Studiums erhielt Yannik Müller von der Juseso, der Jugendseelsorge Fricktal, ein attraktives Stellenangebot. Als Teil der Geschäftsleitung war er fortan für zehn Pfarreien zuständig, erteilte Religionsunterricht an der Oberstufe, organisierte Weiterbildungen und regionale Angebote. Ein Highlight waren jeweils die Ostertreffen mit 60 Jugendlichen. Nach drei Jahren holte ihn der Gemeindeleiter der römisch-katholischen Pfarrei Kaiseraugst, Diakon Stephan Kochinky, als Jugendarbeiter ins Römerdorf. Hier entwickelte er Formate, die bis heute die Basis der lokalen katholischen Jugendarbeit bilden: ein ausserschulisches Religionsprojekt für Oberstufenschüler*innen (projekt.reli), ein Freizeitprojekt (relax.reli), ein Seelsorgeangebot (together.reli).
Dann, in der Corona-Zeit, absolvierte Yannik Müller eine zweijährige Coaching-Ausbildung. Sie sei, sagt er, mit viel Selbsterfahrung verbunden gewesen, eine Lebensschule, die viel ausgelöst habe. Müller orientierte sich beruflich neu, übernahm eine Stellvertretung bei der Beratung der Pro Senectute beider Basel, trat dann eine Stelle bei der Stiftung MBF Stein an, wo er eine Abteilung mit sieben Menschen betreut, die zusätzlich zu den kognitiven auch psychische Beeinträchtigungen haben. Die Arbeit sei interessant und gefalle ihm gut, sagt Müller, doch es ziehe ihn zurück in die Kirche.

Der inneren Spur folgen
In Ergänzung zum Teilzeitpensum bei MBF und einer kleinen Anstellung in der katholischen Pfarrei Kaiseraugst hat Yannik Müller deshalb kürzlich eine Projektstelle in der reformierten Kirchgemeinde Region Rheinfelden angetreten, auch hier im Bereich der Jugendarbeit. Ausserdem beginnt er eine Weiterbildung beim Zentrum für Glaube und Gesellschaft an der Universität Fribourg. Für seine berufliche Laufbahn wäre es näherliegend, noch die paar Module zu absolvieren, die er bräuchte, um sich zum Sozialdiakon in der reformierten Aargauer Landeskirche ordinieren zu lassen. «Doch», sagt Yannik Müller, «ich folge meiner inneren Spur.» Und die führe eben zu dieser Ausbildung, die, wie einst die Fachhochschule, Theorie und Praxis miteinander verknüpft und die an einer katholischen Fakultät angeboten wird, aber ökumenisch breit abgestützt ist, auch von Freikirchen.
Yannik Müller, das wird im Gespräch deutlich, ist ein Reisender und wird es weiterhin bleiben. Das Gespräch schweift immer wieder in ferne Länder. Auf einer Reise hat er seine Frau kennengelernt, mit ihr ist er schon zweimal ein halbes Jahr rund um die Welt gezogen. Und auch im übertragenen Sinn ist Yannik Müller ein Reisender, ein Suchender, der sich der inneren Spur mehr verpflichtet weiss als irgendeiner Institution oder beruflichen Laufbahn.
Yannick Müller wird am Sonntag, 24. August, im Rahmen eines Abend-Gottesdienstes (19.15 Uhr im ref. Kirchgemeindehaus Kaiseraugst) zum Thema «Sehnsucht nach dem Meer» sprechen. Weitere Informationen:
§www.ref-rheinfelden.ch

* Andreas Fischer ist Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Region Rheinfelden.

Bilder: Yannick Müller. Fotos: Jutta Wurm